Birgit Meinhard-Schiebel erzählt

11.03.2024

von ihrem Engagement für pflegende Angehörige und einem bewegten Leben

Anpacken und machen, das scheint sich durch das Leben von Birgit Meinhard – Schiebel zu ziehen. Heute mit 78 Jahren ist sie unermüdlich als Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger aktiv, um die Stimme für Personen zu erheben, die im Hintergrund meist ungesehen, unbezahlt und unbedankt wertvollste Arbeit leisten. Überwiegend sind es Frauen, die so aus dem Blick der Öffentlichkeit und damit vom Radar der Politik verschwinden.

Was das Leben bringen würde war nicht absehbar als Birgit Meinhard-Schiebel gerade erst 4 Monate alt war und ihre Mutter starb. Das war kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges und sie wurde in Krankenhäusern herumgereicht wurde ehe sie in einem Waisenhaus landete. Es war spontane Menschlichkeit, die ihr wiederfuhr und alles zum Guten wendete. Spontanität sollte auch prägend für den weiteren Lebensweg der gelernten Schauspielerin werden. Ihr berufliches Leben lang initiierte sie dann als Sozialmanagerin vor allem im Non-Profit-Sektor eine Vielzahl von Projekten und stellte diese auf die Beine. Schon in Pension hat sie als Wiener Gemeinderätin mit dem Schwerpunkt Pflege ihr politisches Engagement auch als hauptberufliche Politikerin gelebt.

Viel hilfreiche Informationen für pflegende Angehörige und die 14 Forderungen der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger, finden sich auf der Homepage (www.ig-pflege.at).

Die Forderungen der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger sind hier wieder gegeben:

Die Interessengemeinschaft setzt sich für die Verbesserung der Lebenssituation von pflegenden Angehörigen ein. Mit dreizehn Forderungen tritt sie an politische Entscheidungsträger heran.

Kostenlose Beratung zu Pflege und Betreuung für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige

Angehörige und pflegebedürftige Menschen brauchen telefonische und persönliche Beratung. Die Themen sind vielfältig und reichen von Finanzierung, Unterstützungsangeboten, Rechtsfragen bis zu praktischen Pflegetipps und sollten von fachkompetenten Personen durchgeführt werden.
Jede und jeder Angehörige sollte zumindest zweimal jährlich ein persönliches und kostenloses Beratungsgespräch in Anspruch nehmen können.

Ausbau leistbarer Pflege- und Betreuungsangebote

Individuelle Pflege- und Betreuungssituationen brauchen unterschiedliche und vor allem leistbare Angebote. Sie müssen leicht zugänglich sein und barrierefrei gestaltet werden. Neue Betreuungs- und Wohnformen müssen entwickelt werden, um vor allem die Durchlässigkeit im gesamten Pflege-und Betreuungsangebot zu sichern. Zur Gestaltung von individuellen Pflege- und Betreuungsarrangements braucht es wohnortnahe Beratungs-, Vernetzungs- und Koordinationsstellen, die pflegende Angehörige bei ihrer Arbeit unterstützen.
Zur Entlastung pflegender Angehöriger fordern wir das Recht jedes pflegenden Angehörigen auf einen pflegefreien Tag pro Monat. An diesen Tagen muss die öffentliche Hand die Pflege und Betreuung gewährleisten.

Ausbau und Flexibilisierung von Ersatzpflege

Das Angebot der Ersatzpflege muss den jeweiligen Lebenssituationen der Angehörigen angepasst werden. Sie sollte flexibel sein, das bedeutet, dass zukünftig die Ersatzpflege auch tageweise in Anspruch genommen werden kann. Wir fordern auch einen Rechtsanspruch auf die Ersatzpflege aus dem Unterstützungsfonds.

Unterstützung von Kindern und Jugendlichen als pflegende Angehörige

Kinder und Jugendliche, die bei der Pflege und Betreuung von Angehörigen mitwirken, brauchen Unterstützung und Begleitung. Hier müssen neue und innovative Angebote implementiert werden, die den Kindern und Jugendlichen entsprechen. Diese sollen vom Austausch auf Social Media Plattformen bis zu zugehender Unterstützung reichen.

Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf

Die Forderung der Interessengemeinschaft nach Einführung von Pflegekarenz und Pflegeteilzeit mit finanzieller Unterstützung wurde gesetzlich verankert und ist mit 1.1.2014 in Kraft getreten.

Darüber hinaus ist nach wie vor bei ArbeitgeberInnen Bewusstsein für die Lebenssituation pflegender Angehöriger zu schaffen. Es werden Rahmenbedingungen gefordert, die es ermöglichen, individuelle und flexible Arbeitsarrangements zu vereinbaren (z.B. bezüglich Arbeitszeit, Teleworking).

Pflegende Angehörige von an Demenz erkrankten Menschen unterstützen

In der Demenzstrategie werden eine Reihe von Handlungsempfehlungen beschrieben, unter anderem werden auch Maßnahmen zur Entlastung und Begleitung von pflegenden Angehörigen gefordert. Dazu braucht es speziell geschultes Pflege- und Betreuungspersonal sowie adäquate Betreuungsangebote.

Regelung von Rechtsansprüchen

Ein Rechtsanspruch auf eine Unterstützungsleistung ist eine Voraussetzung dafür, dass diese von allen Menschen, die sie brauchen, in Anspruch genommen werden kann. 
Dies gilt sowohl für die Pflegekarenz/Pflegeteilzeit, für die Inanspruchnahme der Ersatzpflege u.a. Wir treten für die Regelung von Rechtsansprüchen ein.

Rechtssicherheit für Eltern von Kindern mit chronischer Krank-heit/Behinderung

Kinder mit chronischen Erkrankungen oder einer Behinderung brauchen Maßnahmen für ihr weiteres selbstbestimmtes und abgesichertes Leben nach dem Tod der sie pflegenden Eltern, auch wenn diese Kinder im Erwachsenenalter sind.
Dazu müssen Wohn- und Arbeitsmodelle zur Verfügung gestellt werden.

Pflegekarenzgeld für selbständig Erwerbstätige

Pflegende Angehörige, die zur Gruppe der selbständig Erwerbstätigen (nach GSVG und FSVG) gehören, müssen so wie die unselbständig Erwerbstätigen (Arbeiter und Angestellte) ebenfalls einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenzgeld haben.

Unterstützung pflegender Angehöriger und Zugehöriger nach Beendigung der Pflegetätigkeit

Das Ende eines oft langjährigen Pflegeprozesses stellt die betroffenen pflegenden Angehörigen vor großen Herausforderungen. Mit dem Verlust eines Menschen weiterleben zu müssen, zurückzukehren in einen „pflegefreien Alltag“ ohne Begleitung bringt viele Menschen in eine Krisensituation. Im Rahmen von Trauerbegleitung und Krisenunterstützung müssen pflegende Angehörige wahrgenommen und unterstützt werden.

Psychosoziale Unterstützung während des gesamten Pflegeprozesses zuge-hend und niederschwellig anbieten

Die Unterstützungsangebote wie das psychologische Angehörigengespräch oder der pflegefreie Tag sowie die Ersatzpflege sind wichtige Angebote während des Pflege-prozesses, der häufig über viele Jahre geht. Diese Angebote sind zeitlich limitiert.

Die Pflegesituation ist vor allem psychisch sehr belastend, der Druck nimmt im Lauf der Jahre zu und bringt pflegende Angehörige oft an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit. In Zusammenarbeit mit Einrichtungen, Vereinen, Selbsthilfegruppen und Medien soll auf die Zielgruppe der pflegenden Angehörigen und Zugehörigen hingewiesen werden und dafür Sorge getragen werden, dass sie zugehende und niederschwellige psychosoziale Unterstützungsangebote erhalten können.

Unterstützungsangebote bei Pflege und Betreuung
von Long-Coviderkrankten

Pflegende Angehörige, die einen Menschen mit medizinisch festgestellter
Long-Coviderkrankung und deren langfristigen Auswirkungen pflegen, müssen
berechtigt sein, alle Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige in Anspruch nehmen zu können.

Reform der Pflegegeldbegutachtung

Das Pflegegeldsystem bedarf einer grundlegenden Gesamtreform, um der Langzeitpflege und ihrem Betreuungsaufwand zeitgemäß zu entsprechen. Das Auftreten neuer Krankheitsbilder, die voraussichtlich mehr als 6 Monate dauern wie z.B. Long- und Post-Covid u. a. müssen damit ebenfalls einen Pflegegeldanspruch erhalten.

Pflegende Angehörige in der transkulturellen Pflege

Pflegende Angehörige in der transkulturellen Pflege müssen in der Pflege ihrer Angehörigen vollen Zugang zu Unterstützungsangeboten haben. Dazu braucht es spezielle, individuelle und persönliche Beratungsangebote, die ihnen dabei behilflich sind, die bürokratischen Vorgaben zu bewältigen.

 

Musik: Erika Pluhar mit „Dagegen“, „Trotzdem“ und „Gemeinsam“

Foto: Katrin Schuetzenauer

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